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Beben an den Märkten: Europas große Hoffnungen ruhen auf Deutschland
Frankreich: Wäre die Lage nicht ganz so ernst, könnte man vermuten, dass diese Krise eine besonders pfiffige Idee der Gilde französischer Wirtschaftsexperten ist. Erfüllen sich doch nun Stück für Stück all jene Forderungen, mit denen Herren wie Jacques Attali und Alain Minc zuvor jahrzehntelang auf taube Ohren stießen – und zwar vor allem in Berlin. Denn die Deutschen beschimpft man in französischen Fachkreisen gern als unsolidarische Europäer und finanzpolitisch orthodoxe Anti-Inflations-Ayatollahs.
Nun aber kommt peu à peu all das, was selbst die größten staatsdirigistischen Pariser Fantasten sich kaum je hätten träumen lassen, auf die Agenda: eine europäische Wirtschaftsregierung, ein europäischer Finanzminister, der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB, die Vergemeinschaftung europäischer Schulden. Die EU ist eine von Deutschland finanzierte Transferunion. Das ist ein politischer Triumph, der Paris normalerweise in gehobene Champagnerlaune versetzen würde – wäre die eigene Lage nicht so alarmierend. Frankreichs AAA-Rating ist bedroht, die Staatsverschuldung liegt bei 85 Prozent. Präsident Sarkozy will eine Schuldenbremse in die Verfassung schreiben lassen, braucht dazu jedoch Stimmen der Sozialisten. Aber die wollen, dass er erst einmal Steuergeschenke für Reiche kassiert.
Großbritannien: Die Kommentare auf der Insel konzentrieren sich in alter transatlantischer Tradition auf die Krise der Weltwirtschaft als Ganzes, die Solvenz Italiens und Spaniens ist nur eine Sorge von vielen. So fordert der „Independent“ denn auch globale Lösungen. Die Krise sei ein Ausdruck des globalen finanziellen Ungleichgewichts: Die Schulden in den USA, Großbritannien, Spanien und anderswo wurden durch Reserven und Überschüsse in anderen Ländern ermöglicht.
Nun sei es die Aufgabe Chinas, der ölreichen Golfstaaten und Deutschlands, ihre finanziellen Überschüsse zu „recyceln“ und den Schuldnerstaaten zu helfen, wenn sie nicht selbst auch kollabieren wollen. Der „Daily Telegraph“ hofft, dass die Exportvorteile, die Deutschland durch einen schwachen Euro hat, die Deutschen überzeugen, dass sich die Rettung des Euro für sie lohnt.
Der linke „Guardian“ ebenso wie der liberale „Economist“ meinen gleichermaßen, dass der gegenwärtige europäische Rettungsschirm nicht ausreichen werde. Vor einer weiteren Erhöhung warnt der Leitartikel des „Economist“: Benötigt würden etwa eine Billion Euro, und das würde selbst Deutschland überfordern. Eine europäische Anleihe – also ein Eurobond – sei nun die am wenigsten schlechte Variante, um die Krise zu bewältigen. Londons Politiker halten sich mit Kommentaren zum Euro lieber zurück: Betroffen sind sie dank des Pfunds nicht, zahlen wollen sie erst recht nicht. Dass ob der Lage auf dem Kontinent Konjunktursorgen auf die Insel schwappen, das lässt sich aus der aktuellen Bemerkung des britischen Schatzkanzlers George Osborne ahnen: Großbritannien müsse angesichts de Euro-Krise dringend seine Wirtschaft reformieren.
Italien: Das Land blickt in der tiefen Schuldenkrise wie gebannt auf den Wirtschaftsmotor Deutschland. Behandelt Berlin Italien von oben herab? Zeitungen aus dem Berlusconi-Lager zitieren deutsche Politiker wie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle mit der Meinung, Italien könne die Krise allein bewältigen.
Linke, Berlusconi-feindliche Zeitungen wie „La Repubblica“ schreiben dagegen von der tiefen Skepsis der deutschen Kanzlerin gegenüber Roms Krisenmanagement. Berlusconi gilt nach Meinung des Turiner Historikers Gian Enrico Rusconi in Berlin als „unzuverlässig bis hin zur Unverantwortlichkeit“.
Deutschland werde wohl zur Führungsnation schlechthin in Europa aufsteigen – „davon würde ganz Europa profitieren“ –, Italien werde an Bedeutung verlieren, was durch dessen inkompetente politische Führung beschleunigt werde. Der ehemalige italienische Botschafter in Berlin, Antonio Puri Purini, schreibt am Dienstag in einem Kommentar für den „Corriere della Sera“, Italien sei in der Welt isoliert. Für den Moment könne der einfache Bürger nur dankbar sein für den Druck, den Deutschland auf Italien ausübe – allein könne es Italien nämlich nicht schaffen.
Spanien: Wirtschaftsministerin Elena Salgado hat ihren unverwüstlichen Optimismus mit Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero gemein. „Spanien ist weit von einer Flucht unter den Euro-Rettungsschirm entfernt“, sagte sie am Dienstagvormittag zum Radiosender Onda Zero.
Die Unsicherheit an den Märkten werde sich im August noch auflösen, sofern Maßnahmen der Stabilitätssicherung im Euro-Raum von den Mitgliedern beschlossen würden. Die aktuelle Talfahrt an den Börsen weltweit habe ihre Wurzel in der „globalen Entschleunigung“. Dass Italien und Spanien ihre Goldreserven veräußern sollten, wie von den deutschen Regierungsparteien CDU und FDP gefordert, lässt die Iberer unberührt.
Spanien hat seine Barren vor Längerem als „nicht zukunftsträchtige Anlageform“ weitgehend verscherbelt. 11,5 Milliarden Euro des Edelmetalls sollen noch vorrätig sein. Das ist lediglich ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Verständnis für Deutschlands Abneigung, „die budgetären Scherbenhaufen seiner Nachbarn“ zu berappen, zeigte zuletzt die Wirtschaftszeitung „Cinco Días“ in ihrem Leitartikel, sieht aber vor allem durch die getrübte US-Wirtschaftslage den deutschen Export- und somit Wachstumsmotor gefährdet. Polen: Die Polen sind offenbar die Optimisten Europas. Nur 17 Prozent glauben, die Lage in ihrem Land verschlechtere sich derzeit. Auch die Situation ihres jeweiligen Privathaushalts schätzen sie positiv ein.
„Die Polen hören seit 2008 von der Krise, diese aber hat bisher um Polen einen Bogen gemacht“, sagt Miroslawa Grabowska vom Umfrageinstitut CBOS zur Erläuterung. Die Wirtschaft ist vergleichsweise gesund, doch das schützt nicht völlig vor Ansteckung: Wenn der Euro Schnupfen hat, bekommt regelmäßig der polnische Zloty eine Grippe.
Die ausländischen Indizes zogen in den letzten Tagen auch den Warschauer Börsenindex WIG kräftig nach unten. Gestern mussten 4,10 Zloty für den Euro gezahlt werden – ein neues Jahrestief. Doch die meisten Sorgen bereitet der Höhenflug des Schweizer Franken, vor allem Zehntausenden Polen, die Wohnungsbaukredite in Franken abzuzahlen haben. Premierminister Donald Tusk hatte stets das Ziel eines schnellen Beitritts zum Euro verfochten. Diese Euphorie hat sich nun etwas abgekühlt. Aber von einem Ende des Projekts spricht die Regierung nicht.
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Категория: Мои статьи | Добавил: evgenijzhukov (09 Aug. 2011)
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