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Meinung | Finanzkrise: Schluss mit Renditewahn! Schluss mit Bankenbashing!
Sie hätten gern etwas mehr Orientierung von der Politik, wie es einen Ausweg aus der tiefen Bankenkrise in Europa gibt? Vergessen Sie's: Im 24-Stunden-Takt werden uns derzeit zwar Fingerzeige gegeben – doch leider immer in verschiedene Richtungen: Einerseits nehmen die Regierungen und die Aufsichtsbehörden die Banken hart ran, und das im Prinzip zu Recht. Sie greifen in die Vergütung der Mitarbeiter ein und erhöhen radikal die aufsichtsrechtlichen Mindeststandards bei Kapital und den kurzfristig verfügbaren Mitteln (Liquidität), damit die Banken krisenfester werden.
Gleichzeitig setzt eine Prozesswelle der Branche kräftig zu. Ob in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien – die Geldhäuser sollen bluten für die Fehlentwicklungen, die zur Finanzkrise 2008 führten. Das politische Kalkül dahinter ist durchaus verständlich: Die Banker haben jahrelang von überaus hohen Boni und Dividenden profitiert, ihre Arbeitgeber wurden aber de facto kollektiv – die einen direkt, die anderen indirekt – vom Steuerzahler gerettet, als es schieflief.
Globale Konjunktur auf Talfahrt
Andererseits geht aber in der Politik die Angst um. Denn das globale Bankensystem droht zu kollabieren – was eine tiefe Rezession zur Folge hätte, ohne dass die Mittel bereitstünden, um es erneut zu retten. Die künftig hohen aufsichtsrechtlichen Anforderungen sorgen bereits jetzt dafür, dass die Banken ihre Bilanzen kleiner machen und deshalb weniger Kredite vergeben – Geld wird also knapper. Gleichzeitig wird es durch immer höhere Auflagen und die verbale Feindseligkeit der Politik für Investoren zunehmend unattraktiver, das notwendige Mehr an Kapital bereitzustellen.
Ergo: In einer Phase, in der die globale Konjunktur bereits auf Talfahrt ist, macht der weltweit nachvollziehbare Wunsch, die Schuldigen der Finanzkrise vorzuführen und Banken gleichzeitig sicherer zu machen, die Situation noch schlimmer. Wenn dann auch noch Christine Lagarde, die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds, laut über die großen Kapitallöcher europäischer Banken nachdenkt, dann ist die Panik perfekt. Es ist so, als spielte die Feuerwehr selbst mit dem Feuer.
Kettenreaktion nach Insolvenz eines Landes
Die Politiker stehen vor einer Quadratur des Kreises. Und die Regierungen vieler Staaten haben selbst entscheidend dazu beigetragen, dass es so schlimm gekommen ist. Man mag ja Bankmanager für unfähig erklären, weil sie in griechische, portugiesische oder italienische Staatsanleihen investiert haben. Aber dieses Verhalten wurde von den bestehenden Eigenkapitalvorschriften stark begünstigt. Und die Europäische Zentralbank nimmt die Staatsanleihen aller Euro-Länder bis heute als Sicherheit für gutes Zentralbankgeld entgegen. Wenn also die Staaten der Euro-Zone ihre Finanzierungsprobleme nicht gelöst bekommen, dann wird es zwangsläufig einen Kollaps des europäischen Bankensystems (und auch der Versicherungen) geben. Es ist nun einmal so: Während die Staaten in Europa finanzpolitisch eigenständig sind, haben die Banken und Versicherungen ihre Anlagepolitik längst europäisiert, weil es politisch auch so gewollt war. Die Folge ist, dass die Insolvenz eines Landes eine Kettenreaktion in der ganzen Euro-Zone und darüber hinaus auslösen kann. Das ist inzwischen längst erkannt, weswegen der Einbruch der Börsen nach der Rede des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann am Montag ziemlich irrational war.
Es wäre freilich falsch, die Banken nun aus der Verantwortung zu nehmen. Der ständige Drang der Branche, immer höhere Eigenkapitalrenditen und Boni zu erzielen, war nicht ausschließlich, aber auch eine Grundlage für die Auswüchse, die 2008 in der Finanzkrise zum Kollaps führten. Die meisten Herren des Geldes (Damen gibt es ja in der Branche leider noch nicht so viele) hatten allmählich vergessen, wofür sie verantwortlich sind: nämlich für das Zentralnervensystem der globalen Wirtschaft. Werden die Banken krank, leiden alle.
Banken sind Dienstleister
Es ist also Zeit, sich wieder eines Verständnisses bewusst zu werden, das lange Zeit als altmodisch galt: Banken haben auch ihren Kunden und ihrer Wirtschaft zu dienen. Ein gesundes, marktwirtschaftliches Finanzsystem ist quasi ein öffentliches Gut, Unternehmen und Konsumenten haben ein Anrecht darauf. Das wiederum muss nicht, kann aber im Widerspruch zur kurzfristigen Gewinnmaximierung stehen. Genau dieser Gedanke des gesamtgesellschaftlichen Nutzens eines stabilen Finanzsystems sollte nun im Mittelpunkt der so wichtigen Reformen des Sektors stehen. Banker vom Kaliber Ackermanns müssen dazu beitragen, dass dem globalen Bonus- und Renditewahnsinn der Branche (der nicht selten auch die falschen Charaktere anzieht) ein Ende gesetzt wird.
Das ist leichter gesagt als getan: Es liegt nun einmal in der Natur von Bankgeschäften, dass sich die Erträge ziemlich eindeutig Individuen zuordnen lassen, was zwangsläufig zu exorbitanten Gehältern führt. Es gilt also, ein neues Branchenverständnis zu entwickeln, ohne dass der gesunde Wettbewerb um die besten Köpfe zerstört wird. Eine brancheneigene Aufsicht unter dem Dach des globalen Bankenverbands IIF, dessen Vorsitzender Ackermann ist, könnte hier ein erster Schritt zu mehr Wohlverhalten sein. Mindestens genauso wichtig ist der Umgang der Politik mit den Banken. Aufrufe an Whistleblower, also an Bankangestellte, die Beweise über das Fehlverhalten ihrer Arbeitgeber zu liefern, klingen vielleicht gut, schüren aber nur die Emotionen und drohen in Selbstzerfleischung zu enden. Politiker sollten sich nicht nur deshalb davor hüten, in Bankern weiterhin die Schuldigen aller Probleme zu suchen und die Branche in der jetzigen Krise mit immer neuen Auflagen zu belasten. Ja, die Branche hat viel falsch gemacht, aber die Politiker eben auch. Wer jetzt aus politischem Kalkül weiter die Banker vor sich hertreibt, handelt wie ein Bauer, der seine Kuh schlachtet, die er eigentlich gerade melken wollte. Es gibt zwei Euro-Rettungsschirme – den modifizierten vorläufigen Mechanismus EFSF und seinen dauerhaften Nachfolger ESM, der Mitte 2013 in Kraft tritt. Beide Instrumente sollen angeschlagenen Euro-Staaten im Notfall besser helfen können, ohne dass neue, die Finanzmärkte irritierende Rettungsaktionen der 17 Euro-Staaten nötig sind. Ein Überblick über die wichtigsten Elemente beider Mechanismen... WAS IST DIE EFSF?
Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility, EFSF) wurde am 10. Mai 2010 als vorläufiger Euro-Rettungsschirm von einem EU-Gipfel ins Leben gerufen. Sie wird Mitte 2013 vom dauerhaften Rettungsschirms ESM abgelöst, der über dieselben Möglichkeiten verfügen soll. Die EFSF wird von dem deutschen Beamten Klaus Regling geführt. WANN WIRD GEHOLFEN?Voraussetzung für die Hilfe beider Einrichtungen ist, dass die Stabilität der Euro-Zone insgesamt gefährdet ist und sich ein Empfängerland einem harten wirtschaftlichen Reformprogramm unterzieht. Vorab muss zudem geklärt werden, ob ein Land, das Hilfskredite erhält, diese zurückzahlen kann. Für die Auszahlung von Krediten ist ein einstimmiger Beschluss der Geldgeber nötig. VOLUMEN DER EFSFDer jetzt gebilligte überarbeitete EFSF-Vertrag sieht vor, dass das Kredit-Volumen für angeschlagene Euro-Staaten auf effektiv 440 Milliarden Euro steigt. Damit die EFSF eine solche Summe an den Finanzmärkten zu niedrigen Zinssätzen aufnehmen und dann mit einem Aufschlag an Staaten weiterleiten kann, bürgen die Euro-Staaten gemäß ihres Anteils an der Europäischen Zentralbank nun mit bis zu 780 Milliarden Euro. Deutschland haftet für einen Anteil von 211 Milliarden Euro. Vorsorglich wurde die Absicherung so berechnet, dass auch ohne einen Beitrag Griechenlands, Irlands und Portugals die volle Kredit-Summe zusammen käme. Anders als bisher darf die EFSF künftig Kredite am Primärmarkt, also direkt von Staaten kaufen – genauso wie der ESM ab 2013. Mit diesem neuen Instrument können die Rettungsschirme eine Art Starthilfe leisten, wenn sie sich an einer neuen Anleihe-Ausgabe des Landes beteiligen, das an die Kapitalmärkte zurückkehrt. WELCHE NEUEN INSTRUMENTE BEKOMMT DIE EFSF? Die Euro-Staaten haben am 21. Juli die Garantie-Aufstockung und vier neue Instrumente für die EFSF beschlossen und dazu ihren EFSF-Rahmenvertrag angepasst. Die vier Instrumente sind: – Anleihenkäufe am Primärmarkt: Die EFSF kann künftig bei den Regierungen direkt neu ausgegebene Staatsanleihen kaufen. – Anleihen am Sekundärmarkt: Auch Anleihenkäufe an den Börsen sind möglich, aber nur im Ausnahmefall. – Vorsorgliche Kreditlinien: Euro-Länder können sich von der EFSF eine Kreditlinie zusichern lassen, die sie aber nicht nutzen müssen. Dies soll die Finanzmärkte beruhigen. – Die EFSF kann Ländern künftig besondere Kredite geben, damit sie ihre Banken rekapitalisieren können. DAS VOLUMEN DES ESM Ab Mitte 2013 soll der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM die EFSF ablösen. Er kann Kredite bis zu 500 Milliarden Euro vergeben. Für eine gute Bonität braucht er dennoch „nur" eine Absicherung von 700 Milliarden Euro, weil er anders als der EFSF einen Kapitalstock von 80 Milliarden Euro in bar hat. Der deutsche Anteil an der Gesamthaftung sinkt deshalb beim Übergang von der EFSF auf den ESM auf 190 Milliarden Euro. Dafür muss Deutschland von diesen Betrag knapp 22 Milliarden Euro in den Kapitalstock einzahlen. MITHAFTUNG PRIVATER GLÄUBIGER Der ESM-Vertrag schreibt fest, dass ab 2013 alle in der Euro-Zone ausgegebenen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr die Klausel enthalten, dass private Investoren an einer Krisenlösung beteiligt werden. In Artikel 12 werden zwei Szenarien festgelegt: Befindet sich ein Land nur in einer vorübergehenden Liquiditätskrise, sollen die privaten Gläubiger ermutigt werden, ihre Anleihen länger zu halten. Im Pleitefall muss der Mitgliedsstaat zwingend mit den Gläubigern verhandeln – der Privatsektor würde dann nötigenfalls etwa an einem Schuldenschnitt beteiligt. Beide Fälle beziehen sich aber nur auf die ab Mitte 2013 ausgegebenen neuen Staatsanleihen mit den sogenannten Umschuldungsklauseln CAC. Einzelheiten der CAC-Regeln sollen bis Jahresende geklärt werden. BEVORZUGTER GLÄUBIGERSTATUS Der ESM wird bei seinen ausgegebenen Krediten einen bevorzugten Gläubigerstatus ähnlich wie der IWF erhalten. Im Insolvenzfall müssen diese Kredite aus Steuerzahlergeld vorrangig vor denen der privaten Hand bedient werden. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn Hilfsprogramme bereits vor dem ESM begonnen und dann übertragen werden – dann verzichtet der ESM auf einen bevorzugten Status, den es heute für den EFSF auch nicht gibt. Die Bundesregierung betont, dass diese Einschränkung nur für eine Übergangsphase etwa in Fällen wie Griechenland, Irland oder Portugal gelten kann. NACHSCHUSSPFLICHT UND WEITERENTWICKLUNG Mindestens alle fünf Jahre soll überprüft werden, ob der ESM-Rahmen verändert werden soll. Es kann eine Nachschusspflicht für Länder geben, wenn Kredite etwa nicht zurückgezahlt werden. In jedem Fall gilt etwa für Deutschland aber die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro. Der aus den EU-Finanzministern bestehende Gouverneursrat kann zudem Finanzierungsinstrumente wie den Ankauf am Primärmarkt oder den auf 200 Basispunkte festgelegten Aufschlag für vergebene Kredite ändern sowie einen Reservefonds und weitere Fonds einrichten. EINSTIMMIGKEIT UND ZUSTIMMUNG Wichtige Beschlüsse kann der Gouverneursrat nur einstimmig fällen. Bei vielen technischen Fragen gilt eine qualifizierte Mehrheit von 80 Prozent. Weil Deutschland rund 27 Prozent der Anteile hält, hat es auch in diesen Fällen de facto ein Veto. Ungeklärt ist, wie die Nationalstaaten auf die Entscheidung ihrer Vertreter im Gouverneursrat Einfluss nehmen. Viele Bundestagsabgeordnete beanspruchen, dass die deutsche Position vor wichtigen Weichenstellungen durch eine Parlamentszustimmung festgelegt wird – anders als beim EFSF, bei dem die Regierung nur ein Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss herstellen muss. Die Regelung soll im Herbst im einem eigenen nationalen Beteiligungsgesetz geregelt werden. Quelle: Reuters, 31.8.2011
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Категория: Мои статьи | Добавил: evgenijzhukov (09 Sept. 2011)
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