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Militärbischof Overbeck: "Wir dürfen Afghanistan nicht sich selbst überlassen"
Welt Online: Herr Bischof, im Fachjargon gefragt: Wie ist Ihre Lagefestellung nach einem Jahr im Amt?
Franz-Josef Overbeck: Die Lage ist gut. Die Atmosphäre, die mir in der Bundeswehr entgegenkommt, empfinde ich als sehr aufmerksam. Durch meine vielen Gespräche stelle ich fest: Die Militärseelsorge wird sehr geschätzt, die katholische wie die evangelische. Die Soldaten und die politisch Verantwortlichen sind dankbar, für das, was wir tun.
Welt Online: Die Bundeswehr wird von Grund auf reformiert, und mit steigenden Einsätzen wird auch die Militärseelsorge mehr zu tun bekommen. Dabei hat die Kirche selbst Personalsorgen. Wie schaffen Sie das?
Overbeck: Unsere Seelsorge wahrzunehmen, bleibt unser Grundauftrag. Das heißt, wir sind bei den Soldaten in ihren oft sehr schwierigen Situationen – als diejenigen, die trösten, die stärken, die einfach da sind, auch für die Familienangehörigen. Gleichzeitig eröffnen wir Perspektiven, die den Soldaten hoffentlich helfen, moralisch zu handeln und ein ethisches Konzept dafür zu haben. Unser Engagement hängt nicht von äußeren Zwängen ab.
Im Moment gibt es keinen gesellschaftlichen Bereich, der nicht großen Wandlungsprozessen unterworfen ist. Das gilt für die Bundeswehr wie für die Kirchen – als Bischof von Essen kann ich davon ein Lied singen. Das gilt aber auch für die gesamte deutsche Öffentlichkeit, allein in den Bereichen Wirtschaft, Innen- und Außenpolitik.
Welt Online: Der Verteidigungsminister hat angekündigt, dass Deutschland künftig mehr Verantwortung in der Welt tragen muss. Sehen Sie das genauso?
Overbeck: Ja. Die Globalisierung wird in allen Bereichen des Lebens noch große Konfliktfelder eröffnen, aus denen wir uns nicht heraushalten können. Das ist eine internationale Verantwortung, da können wir nicht einfach sagen: Wir sind die Gutmenschen und lassen andere die Arbeit tun. Das gilt gerade für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Dieses Konfliktfeld ist ein Beispiel für das, was uns in vielfacher Weise noch in vielen Regionen unserer Erde erwarten wird.
Welt Online: Aus Sicht der Kirche ist der militärische Einsatz aber doch die „ultima ratio“. Eine Frieden schaffende Erfolgsaussicht müsse gegeben sein. Im Falle Afghanistans gehen die Meinungen im Moment sehr auseinander.
Overbeck: Natürlich ist so ein Einsatz nur im Verbund mit all den anderen Nationen möglich – und nur mit klaren Zielen. Es muss immer darum gehen, Frieden und Gerechtigkeit zu fördern. Für uns liegt darin aber auch eine große Chance, dass die Seelsorge innerhalb des Auftrages der Bundeswehr dazu beiträgt, eben diese Perspektive zu eröffnen.
Welt Online: Hatten Sie bei Ihrem Besuch in Afghanistan auch den Eindruck, dass „nichts gut“ ist in diesem Land?
Overbeck: Ich habe diesen Satz der ehemaligen Ratsvorsitzenden der EKD, Margot Käßmann, noch nie für gut gehalten. Ich halte eh nichts von solchen pauschalen Aussagen. Mit der Wirklichkeit muss man sehr viel differenzierter umgehen.
Das sieht man in Afghanistan: Nach dem Beschluss von 2001 ist eine politische Lage entstanden, zu der die Kirche nur sagen kann: Es muss alles geschehen, damit Frieden in Gerechtigkeit auf den Weg gebracht wird. Dazu tun wir unseren Teil, und dazu ist schon viel Bemerkenswertes passiert.
Ich habe bei meiner Reise Soldaten getroffen, die ihr Handeln ethisch sehr bewusst abwägen in diesen doch sehr kriegsähnlichen Situationen. Ich habe aber auch große zivile Anstrengungen gesehen, etwa die Ausbildung von Polizisten oder Lehrern. Angesichts dieser schwierigen, durch Stämme geprägten Situation kann man nur hoffen, dass die internationalen Anstrengungen auf Dauer Früchte tragen. Da gehört viel Geduld dazu, das gilt auch für die Kirche.
Welt Online: Die katholische Friedensorganisation Pax Christi hat sich gegen eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats ausgesprochen und den sofortigen Abzug gefordert.
Overbeck: Das hat Pax Christi gefordert, nicht der katholische Militärbischof.
Welt Online: Was fordern Sie?
Overbeck: Afghanistan ist ein Land, in dem bisher fast alle Frieden bringenden Initiativen gescheitert sind, das macht natürlich nachdenklich. Aber wir dürfen uns jetzt nicht aus Skepsis zurückziehen und das Land sich selbst überlassen. Das würde meinem Verantwortungsideal nicht entsprechen.
Als Militärbischof trage ich dafür Sorge, dass die Soldaten in ihrem Auftrag gestärkt und gestützt werden, das gilt auch für ihre Familien. Außerdem stehe ich in der Öffentlichkeit dafür ein, dass die Politik nicht vergisst, wofür überhaupt dieser ganze Einsatz da ist.
Welt Online: Eine breite Debatte über militärische Einsätze fehlt bisher. Was können die Kirchen dazu beitragen?
Overbeck: Der evangelische Militärbischof und ich haben kürzlich im Verteidigungsausschuss betont, dass es uns ein großes Anliegen sei, so eine friedensethische Debatte anzustoßen. Das können wir tun.
Wir leben nur leider in Zeiten, die sind nicht so debattierfreundlich, vielen ist es zu mühsam, sich mit so komplexen Dingen auseinanderzusetzen. Die meisten wollen eher auf konkrete Fragen Antworten, die jetzt und gleich hilfreich sind. Mir scheint, dass wir da noch einen langen Weg gehen müssen.
Welt Online: Nur noch jeder zweite Soldat gehört einer Konfession an. Doch auf Wunsch des Verteidigungsministeriums übernehmen Kirchen auch den Lebenskunde-Unterricht, bei dem es um Fragen von Schuld und Verantwortung geht. Fühlen Sie sich da nicht als Lückenbüßer?
Overbeck: Grundsätzlich tun wir unseren Dienst für diejenigen, die zu unserer Kirche gehören, und zwar seitdem die Bundeswehr besteht. Damals waren 80 Prozent der Soldaten in einer der beiden Konfessionen beheimatet. Und wenn sich das ändert, tun wir das eben für die, die dabei bleiben.
Gleichzeitig sind wir ein Angebot für alle. Und ich habe in meinem ersten Amtsjahr mit Erstaunen festgestellt, dass es ganz viele gibt, die unseren Dienst gern annehmen, auch wenn sie nicht religiös gebunden sind.
Welt Online: Was ist mit den Trauerfeiern für gefallene Soldaten? Da bietet die Kirche den würdigen Rahmen, die Reden sind in erster Linie politisch.
Overbeck: Viele Angehörige sind sehr dankbar, dass wir diesen Rahmen liefern. Wir kümmern uns um solche Feiern in enger Absprache mit der Bundeswehr, sprechen aber immer zuerst mit den Familien, achten unbedingt auf deren Bitten und Wünsche. Natürlich muss man diese beiden Sphären sehr klug unterscheiden, den staatlichen Trauerakt und den religiösen Teil. Da darf es keine Vermischung geben.
Andererseits: Der Mensch ist kein Wesen, das auseinanderfällt. Egal, wo die Trauer ist, ist es die Trauer des einen Menschen. So soll man es auch halten, unvermischt und ungetrennt.
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Категория: Мои статьи | Добавил: evgenijzhukov (24 Feb. 2012)
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