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Reizfigur Gauck: Rösler über Merkel – "Das war eine scharfe Reaktion"
Welt Online: Herr Vizekanzler, wir kannten Sie bisher nicht als Hasardeur…
Philipp Rösler: Ich bin nach wie vor kein Hasardeur. Wir haben unsere klare Position für einen überparteilichen Kandidaten deutlich gemacht und waren bereit, dafür zu kämpfen. Es ist darum gegangen, den richtigen Kandidaten für das höchste Staatsamt gemeinsam zu finden. So hatten wir es ja von vornherein gefordert.
Welt Online: Sie haben in den vergangenen Tagen viel aufs Spiel gesetzt: den Fortbestand der Koalition, die Existenz Ihrer Partei – und vielleicht sogar die Rettung des Euro…
Philipp Rösler: In der Politik gilt: Man kann Wahlen verlieren, auch Ämter. Aber man darf niemals seine Überzeugung verlieren. Es war ja auch nicht irgendwas, um das wir gekämpft haben. Der Ansehensverlust für das Amt des Bundespräsidenten war dramatisch. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass dieses Ansehen so schnell wie möglich wieder zurückkommt. Und wir haben die Koalition niemals mit dieser Frage verknüpft.
Welt Online: Sie haben nicht mit Koalitionsbruch gedroht?
Philipp Rösler: Die Möglichkeit, die Koalition zu beenden, ist von der Union mehrfach genannt worden. Mit der schließlich doch erfolgten Zustimmung der Union zu Joachim Gauck ist auch dieses dramatische Zwischenspiel beendet.
Welt Online: Die FDP ist auf zwei Prozent gestürzt. Die Opposition wirft Ihnen vor, Sie wollten von Gaucks Popularität profitieren…
Philipp Rösler: Uns ging es um Würde und Autorität des höchsten Amtes. Wenn es uns um die FDP gegangen wäre, hätten wir mit diesen Umfragewerten sicher keine Neuwahlen riskiert. Richtig ist: Dieser Kandidat wird vom Volk gewünscht. Wer will das wem bitte zum Vorwurf machen, wenn man sich für ihn entscheidet?
Welt Online: Wer hatte bei den Liberalen die Idee, mit SPD und Grünen für Joachim Gauck einzutreten?
Philipp Rösler: Kollegen wie Wolfgang Kubicki haben sich frühzeitig und sehr klar für ihn ausgesprochen.
Welt Online: Was Kubicki sagt, ist nicht immer deckungsgleich mit dem, was die Parteispitze macht. Wann ist die FDP-Führung auf Joachim Gauck eingeschwenkt?
Philipp Rösler: Das FDP-Präsidium hatte am Sonntag um 15 Uhr eine Telefonkonferenz. Da habe ich deutlich gemacht: Wenn es darum geht, die Würde des Amtes wiederherzustellen, ist Joachim Gauck der beste Kandidat. Die Mitglieder des Präsidiums haben sich einstimmig hinter mich gestellt.
Welt Online: Sie hätten Gauck schon vor zwei Jahren zum Staatsoberhaupt wählen können. Warum haben Sie auf Christian Wulff gesetzt?
Philipp Rösler: Es gab schon damals große Zustimmung für Joachim Gauck in unseren Reihen. Christian Wulff kannte ich aus der gemeinsamen niedersächsischen Zeit. Ich dachte, dass er ein guter Präsident sein würde. Unsere sächsischen Kollegen haben aber auch schon bei der letzten Bundespräsidentenwahl für Joachim Gauck gestimmt.
Welt Online: Wulffs Ende kam plötzlich, aber nicht unerwartet. Gab es in den vergangenen Wochen schon Gespräche zwischen den Koalitionsspitzen, wie Union und FDP auf einen Rücktritt des Bundespräsidenten reagieren würden?
Philipp Rösler: Nein. Es mag Überlegungen gegeben haben, aber keine konkreten Gespräche.
Welt Online: Sie hätten sich mit Union, SPD und Grünen geräuschlos auf Bischof Huber, Petra Roth oder Klaus Töpfer als neues Staatsoberhaupt verständigen können. Alle nicht geeignet?
Philipp Rösler: Das war ausdrücklich keine Entscheidung gegen jemanden. Das sind alles sehr honorige Persönlichkeiten. Aber wir sind davon überzeugt, dass niemand geeigneter ist als eben Joachim Gauck, verloren gegangenes Vertrauen in das höchste Staatsamt zurück zu bringen.
Welt Online: Die Bundeskanzlerin hegte bis zuletzt Sympathie für Töpfer – obwohl sie wusste, dass die FDP mit dem früheren Umweltminister ihre Probleme hat. Wollte Angela Merkel die Liberalen demütigen? Die Parteispitzen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen stellten am Sonntag, 19. Februar 2012, ihren gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, vor: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Ich bin sicher, dieser Mann kann uns wichtige Impulse geben für die Herausforderungen unserer Zeit und der Zukunft - die Globalisierung, die europäische und internationale Staatsschuldenkrise, die Energiewende, die innere und äußere Sicherheit und nicht zuletzt das immer wieder neu zu schaffende Vertrauen in die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung". „Bis heute leitet ihn ein Gedanke – das ist der Kampf gegen das Vergessen, die Erinnerung an die DDR und das Unrechtssystem wachzuhalten. Ein wahrer Demokratielehrer geworden zu sein – das zeichnet ihn bis heute aus." Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel:
„Die Überschrift könnte lauten – Ende gut, alles gut." „Wenn er von der Schönheit der Freiheit spricht, dann erinnert man sich manchmal ein bisschen beschämt daran, wie wenig das in unserem Alltag, weil wir es eben als normal empfinden, noch gewertschätzt wird." „Er wird helfen, diese Kluft zwischen der Bevölkerung und den Institutionen der Demokratien und den Parteien auch wieder zu schließen." Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler: „Joachim Gauck kann die Menschen wieder mehr begeistern für die Demokratie." Die Grünen-Parteivorsitzende Claudia Roth:
„Joachim Gauck ist jemand, der Demokratie wieder Glanz verleihen kann." „Er kann dem gesprochenen Wort einen ganz wunderbaren Klang geben. Er kann Worte zum Klingen bringen." CSU-Chef Horst Seehofer:
„Sie haben das Vertrauen der CSU und das Vertrauen der Bayern." Der Bundespräsidentenkandidat Joachim Gauck:
„Diese Vorschusslorbeeren, die ich jetzt gehört habe, die möchte ich erst mir verdienen." „Was mir unglaublich geholfen hat, dass sie sich zusammengefunden haben." „Von all den Dingen, die sie heute gesagt haben, ist mir am wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können." „Und dort will ich wirken, wo wir Menschen wieder neu einladen diese Haltung von Verantwortung anzunehmen und nicht nur als Zuschauer und kritischer Begleiter der öffentlichen Dinge herumzustehen." „Ich komme aus dem Flieger und war im Taxi, als die Frau Bundeskanzlerin mich erreicht hat. Und ich bin noch nicht mal gewaschen." „Sie sehen, dass ich überwältigt und ein wenig verwirrt bin." Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier per Kurznachrichtendienst Twitter
„Das Ergebnis zeigt, dass die großen demokratischen Fraktionen sich einigen können. Mit der Linkspartei wäre das nicht gelungen."
Philipp Rösler: Das war keine Überlegung wert und traf sicher auch nicht zu. Für uns war die einzige Frage: Wie stärken wir das Amt?
Welt Online: Wie hat die Kanzlerin reagiert, als sich das FDP-Präsidium für Gauck ausgesprochen hat?
Philipp Rösler: Das war eine scharfe Reaktion.
Welt Online: Haben Sie eine Vermutung, weshalb sich die Kanzlerin so massiv gegen Gauck gewehrt hat?
Philipp Rösler: Mein Endruck ist: Die Kanzlerin hat nichts gegen Gauck persönlich. Sie hat ja immer wieder deutlich gemacht, was er für eine honorige Persönlichkeit ist. Bei seinem 70. Geburtstag war sie die einzige Festrednerin. Aber sie hat wohl erkannt, dass Gauck ihrer Partei sehr schwierig zu vermitteln sein würde.
Welt Online: Warum das?
Philipp Rösler: Da wäre ich der falsche Auskunftgeber. Jedenfalls war der Zuspruch für Gauck in der FDP immer deutlich größer als in der Union.
Welt Online: Wie lässt sich das Vertrauen in der Koalition wiederherstellen?
Philipp Rösler: Das Vertrauen ist nicht zerstört. Dazu gäbe es auch keinen Grund. Wir haben in den Gesprächen mit der Union lediglich deutlich gemacht, dass unterschiedliches Abstimmungsverhalten von Koalitionspartnern in der Bundesversammlung nichts Ungewöhnliches wäre.
1994 gab es das auch: Die Union hatte Roman Herzog aufgestellt, und die FDP ist mit Hildegard Hamm-Brücher angetreten. Die schwarz-gelbe Koalition hat damals keinen Schaden und Helmut Kohl daran keinen Anstoß genommen. Aber vielleicht muss neu betont werden: Eine eigenständige Partei wie die FDP hat auch eine eigene Position.
Welt Online: Der Innenpolitiker der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach, droht schon, man sehe sich im Leben immer zweimal…
Philipp Rösler: Wir sind uns viel öfter begegnet. Eine funktionierende Koalition meistert Situationen, wo auch Eigenständigkeit gefragt ist, immer souverän. Schließlich tragen wir in großer Gemeinsamkeit unser große Verantwortung: Wir müssen unsere gemeinsame Währung stabilisieren und die Energiewende zum Erfolg führen.
Welt Online: Welche Hoffnungen setzen Sie in das neue Staatsoberhaupt?
Philipp Rösler: Ich hatte ein Gespräch mit Joachim Gauck über die Bedeutung des 18. März – das Datum der ersten und letzten freien Volkskammerwahl. Es ist sehr beeindruckend, wie er seine erste demokratische Wahl beschreibt, die er als 50-Jähriger erlebt hat. Joachim Gauck kann nicht nur Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten, sondern in die demokratischen Institutionen insgesamt zurückbringen. Das ist eine große Aufgabe – und wenn es gelingt, eine große Leistung.
Welt Online: Gauck wird als Allparteienpräsident in die Geschichte eingehen – aber auch als Präsident, der allen Parteien am meisten auf die Nerven geht. Wie denken Sie über diese These?
Philipp Rösler: Schon die Begrifflichkeit passt nicht zur Würde des Amtes. Ein großer Mann steht vor einer großen Aufgabe, und es ist gut, dass wir eine große Mehrheit haben. Ich hoffe auf einen eigenständigen, unabhängigen Geist – so wie sich das Liberale wünschen.
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Категория: Мои статьи | Добавил: evgenijzhukov (20 Feb. 2012)
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